Kategorie: Literatur
013
Mit Helma waren sie zu dritt, drei Frauen. Eine, die in sich ruht und eine Weichheit ausstrahlt, sodass Helma versucht ist, einen Haken, ein Kratzen, eine Härte zu entdecken, sich dabei jedoch darüber im Klaren ist, dass sie den, das und die gar nicht entdecken müsste, selbst, wenn es da etwas zu entdecken gäbe. Und eine, die immer huscht, hin und her, im Kopf, durch den Raum, auf’s Klo, manchmal unvermittelt, selten mit Ankündigung, meistens nachvollziehbar, denn eine Mandarine zu essen, verlangt, sich die Hände zu waschen, zur Not auch mitten im Gespräch. Einmal ist die Huscherin auf einem ihrer spontanen Gänge zurückgekommen und hat Helma gefragt, ob sie den Satz auch wirklich fertig gesprochen hätte. Und Helma hatte: „Ja.“ gesagt, obwohl das gar nicht stimmte. Aber Helma hat kein Problem mit Fragmenten.
012
Zuerst bin ich nicht richtig die Treppe hochgegangen, habe nicht richtig die Schuhe abgeklopft und nicht richtig „Hallo!“ gerufen. Dann habe ich nicht richtig geguckt, nicht richtig gelächelt und nichts richtig Geistreiches gesagt. Ich stand nicht richtig im Flur herum und wartete auch nicht richtig auf meinen Einsatz. Auf Fragen antwortete ich ebenso wenig richtig wie ich nicht richtig zuhörte. Ich sagte nicht richtig „Bis später.“ und winkte nicht richtig dabei. Ich sprang nicht richtig gut gelaunt die Treppe wieder runter und ließ auch die Haustür nicht richtig ins Schloss fallen.
Und dann bin ich richtig gerannt.
011
Ich kann dir gar nicht sagen, wie es mir geht. Ich kann dir aber sagen, was geht. Ich balanciere ein Vogelnest auf meinem Kopf. Den Schlüpfer, den ich trage, habe ich seit gestern Morgen nicht mehr ausgezogen. Ich war schon zweimal auf der Toilette, einmal klein, einmal groß, brauchst du noch mehr Details? Dieser Morgen ist einer von vielen. Meine Bewegungen, mit denen ich die Zeit dirigiere, sind nichts Weltbewegendes, sie sind helmatypisch: ruckartig, grobmotorisch, auslassend, einladend, krumm. Du kennst mich doch. Ich bin wie immer. Wirklich, wie immer. Schon dreimal habe ich heute meinen Kontostand abgerufen. Dabei ist noch nicht 12:00 Uhr, er kann sich seit gestern Mittag nicht verändert haben. Nicht einmal um einen Cent. Aber vielleicht ja doch. Vielleicht haben sie die Buchungsregeln genau heute geändert, oder verschoben, wegen eines Betriebsfests oder Updates, digital, könnte doch sein. Vielleicht haben sie endlich festgestellt, dass es moralisch nicht vertretbar ist, arme Vogelnestbalanciererinnen wie mich bis mittags warten und hoffen zu lassen, dass ab gleich alles gut wird. Dass sich jemand geirrt und mir schnell ein paar unterschlagene Honorare überwiesen hat. Na, das tut uns jetzt aber leid. Grippewelle, Sie verstehen das. Klar, kein Ding. Dankeschön. Gern geschehen. Morgen gehe ich endlich zum Frisör.
010
„Und dann hab’ ich den Typen angeguckt, so mit zugekniepten Augen, und mit Nasenlöchern, groß wie mein Flachbildschirm, nur doppelt, echt, ich bepiss‘’ mich schon wieder fast. Jedenfalls hab’ ich mich dann so vor ihm hingestellt, als würde ich ihm gleich eine schallern, wollte ich ja nicht, hau’ doch keine Wurst, kennst mich doch, aber der sollte das schon’n bisschen glauben, weil Kuchen meets Krümel und so, also, dann hab’ ich zu dem gesagt, pass’ auf, ich hab’ gesagt, furztrocken, Wort für Wort, zum Mitschreiben: Noch so’n Ding, Augenring. Kannste das glauben? Den ollen Kindergartenspruch hab’ ich echt gebracht. Ich! Bei dem! Musste voll lachen. Kam gar nicht drauf klar. Noch. So’n. Ding. Augen. Ring. Ich schmeiß’ mich weg. Voll Neunziger, oder!? – Helma? Biste noch da?“ „Ja.“ „Ist doch schräg, oder? Sag’ mal was.“
„Tat es weh?“