013

Mit Helma waren sie zu dritt, drei Frauen. Eine, die in sich ruht und eine Weichheit ausstrahlt, sodass Helma versucht ist, einen Haken, ein Kratzen, eine Härte zu entdecken, sich dabei jedoch darüber im Klaren ist, dass sie den, das und die gar nicht entdecken müsste, selbst, wenn es da etwas zu entdecken gäbe. Und eine, die immer huscht, hin und her, im Kopf, durch den Raum, auf’s Klo, manchmal unvermittelt, selten mit Ankündigung, meistens nachvollziehbar, denn eine Mandarine zu essen, verlangt, sich die Hände zu waschen, zur Not auch mitten im Gespräch. Einmal ist die Huscherin auf einem ihrer spontanen Gänge zurückgekommen und hat Helma gefragt, ob sie den Satz auch wirklich fertig gesprochen hätte. Und Helma hatte: „Ja.“ gesagt, obwohl das gar nicht stimmte. Aber Helma hat kein Problem mit Fragmenten.

012

Zuerst bin ich nicht richtig die Treppe hochgegangen, habe nicht richtig die Schuhe abgeklopft und nicht richtig „Hallo!“ gerufen. Dann habe ich nicht richtig geguckt, nicht richtig gelächelt und nichts richtig Geistreiches gesagt. Ich stand nicht richtig im Flur herum und wartete auch nicht richtig auf meinen Einsatz. Auf Fragen antwortete ich ebenso wenig richtig wie ich nicht richtig zuhörte. Ich sagte nicht richtig „Bis später.“ und winkte nicht richtig dabei. Ich sprang nicht richtig gut gelaunt die Treppe wieder runter und ließ auch die Haustür nicht richtig ins Schloss fallen.

Und dann bin ich richtig gerannt.

Parole: Läuft!

Heute ist für mich ein besonderer Tag.

Vor genau einem Jahr war der 15. Juni ein Donnerstag. An diesem Donnerstag stand ich gegen 11:00 Uhr heulend am Ufer der Panke in Berlin-Wedding, dem Stadtteil Berlins, in dem ich lebe, machte dort ein paar larmoyante Winkeschattenfotos, schrieb kryptische Nachrichten an Eingeweihte, nahm Graffiti-Zeilen mit Liebe drin persönlich und riskierte Hopsen.

Kurz: Ich konnte es nicht fassen.

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Merhaba. Nefisti. Hoşça kal.

Ich bin in Istanbul gewesen, einen Abend, vier Tage und einen Morgen lang. Es ist schön, wieder zuhause zu sein, umgeben von Vertrautem und Liebe, und dennoch ist mein Herz schwer. Die Geschichten, die ich von dort mitgebracht habe, klingen hier, in Berlin so übertrieben, ausgedacht, erlogen. Dabei sind sie alle wahr. So wahr wie einer der für mich schönsten Momente in dieser lauten, vollen und vor (krassen) Widersprüchen strotzenden Stadt: am Bosporus, im Stadtteil Üsküdar, auf der asiatischen Seite mit Blick auf die europäische, in der Sonne, zwischen Türk*innen, die ihre freie Zeit genießen, Çay trinken, Simit knabbern, gucken. Im Wasser: Möwen, Bojen, Schiffe. Ich hatte weder Zeitgefühl, noch Internet. Ich hatte stumpfe Zähne und später einen Sonnenbrand.

Istanbul, März 2018 | Foto: Lydia Herms
Istanbul, März 2018 | Foto: Lydia Herms

Zurück ins Plus nach Plan.

Ich kann nicht mit Geld umgehen. Ich lerne erst jetzt, unterstützt von einer Schuldnerberaterin, bestärkt von Menschen, die mich nicht für mein Unvermögen verurteilen, mein Geld gewissenhaft zusammenzuhalten. Seit mehr als fünf Jahren bin ich nicht mehr im Plus gewesen. Ich hab’ natürlich versucht, da herauszukommen, immer wieder, hab’ viel gearbeitet und mir Urlaube versagt, aber ich hatte weder einen Plan, noch die Hoffnung, die Schulden an die Bank jemals komplett tilgen zu können. Ich resignierte, denn sie wuchsen ja doch. Ich konsumierte wie gewohnt und richtete mich auf ein Leben haarspitzentief im Dispo ein. Abwechselnd träumte ich vom rettenden Bestseller-Vertrag und vom finalen Umzug unter die Brücke. Ich sah mir beim Abkacken zu und wartete auf den erlösenden Knall. Der kam im Juni dieses Jahres.

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